Dr. Christian Andrä: Bewegtes Lernen

Lernen ist ein Bedürfnis, dass uns ein Leben lang begleiten wird. Es ist gleichzeitig eine Fähigkeit, die dazu führt, dass wir Menschen uns ständig weiterentwickeln und an bestimmte Gegebenheiten anpassen und auf neue Bedingungen einstellen können. Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten, dass „zu lernen“ das Leben erst so richtig mit Sinn erfüllt.

Bewegung ist eine Betätigung, ohne die der Mensch gewissenmaßen nicht auskommen kann. Als Jäger und Sammler war es in erster Linie die Bewegung, die unverzichtbar war, denn sie war Voraussetzung für die Nahrungsversorgung und andere Bedürfnisse, die überlebensnotwendig sind.

Über die vielen Jahre der Menschheitsentwicklung haben sich einige Aspekte in ihrer Bedeutung ein Stück weit gewandelt. Aber die Elemente Lernen und Bewegung sind ganz zentrale Kernstücke von uns Lebewesen geblieben und werden auch immer lebensnotwendig bleiben.

Es besteht wissenschaftlicher Konsens darüber, dass Lernen ohne Bewegung nicht gut funktioniert. Zahlreiche Wissenschaftler sind sogar der Meinung, dass es praktisch unmöglich ist. Je nachdem wie man Bewegung betrachtet (im Hinblick auf den Umfang der Bewegung bzw. die Intensität der körperlichen Aktivität) muss konstatiert werden, dass bewegte Elemente einen Lernprozess immer begleiten. Manchmal sind es Aktivitäten, die eine umfangreiche körperliche Aktivität beinhalten (z.B. Lernen von motorischen Fertigkeiten), aber teilweise sind es eben auch nur sogenannte Micro-Bewegungen (wie eine Geste, eine Veränderung der Körperposition im Sitzen oder Ähnliches). Und der Spielraum dazwischen ist riesengroß…

Das Anliegen meiner Ideen war die Vermittlung des Potenzials von bewegtem Lernen, unter methodischen Gesichtspunkten. Dabei sollte verstanden werden, dass die Bewegung ausnahmslos unterstützend sein kann- vor dem Hintergrund, dass Lerninhalte, die vielleicht eher passiv bearbeitet werden, bestenfalls mit Aktivität verbunden werden. Somit kann das Lernen in Bewegung stattfinden (siehe Video 2), weshalb Informationsprozesse optimiert werden. Es ist prinzipiell sinnvoller, beispielsweise Gespräche im Gehen zu führen, Vokabeln mit einer leichten parallelen Aktivität zu festigen und unterschiedliche Arbeitshaltungen beim Lösen von Aufgaben und Besprechen von Sachverhalten einzunehmen. Das verhindert Stillstand und die damit verbundene Dynamik fördert nicht zuletzt die Kreativität. Körper und Geist sind ja nicht trennbar.

Eine weitere, mitunter noch interessantere Möglichkeit ist das Lernen durch Bewegung (siehe Video 1). Hier wird das oft traditionelle, audiovisuelle Lernen über Hören und Sehen durch einen weiteren Zugang, nämlich den kinästhetischen Analysator (dem sogenannten „Bewegungssinn“) erweitert.

Es ist in der Forschung hinlänglich bewiesen, dass je mehr Sinne man beim Lernen aktiviert, desto höher kann der Lernerfolg sein. Denn durch die unterschiedlichen sensorischen Zugänge werden verschiedene Zentren im Gehirn angesprochen, die beim Verstehen und Abrufen des Lerninhalts alle gleichzeitig aktiv sind. Das sogenannte multisensorische Lernen ist daher sehr effektiv und sollte aus diesem Grund handlungsleitend im Lehr- und Lernkontext sein.

Zugegebenermaßen sind die olfaktorischen und gustatorischen Zugänge in ihren Möglichkeiten in diesem Zusammenhang begrenzt, aber die Integration von Bewegung funktioniert in sehr vielen Fällen und sollte unbedingt mitbedacht werden. So sollten beispielsweise geometrische Figuren, sprachliche Strukturen empfunden und wahrgenommen, die Wirkung von Kräften gespürt und Musik erlebt werden. Weiterhin können physikalische (z.B. Beschleunigung, Optik) und chemische Zusammenhänge (z.B. Temperatur, Widerstand) direkt erfahren und kulturelle Unterschiede (z.B. Menschenrechte) in spezifischen Szenarien erkannt werden. Bewegung hilft Zusammenhänge zu gestalten (z.B. Groß- und Kleinschreibung direkt nachvollziehen, Geschichte szenisch nachspielen). Bewegung kann Dinge aktiv verändern, so dass z.B. mathematische Verhältnisse (z.B. Gewicht, Größe aber auch Oberflächenbeschaffenheit) und geografische Ereignisse (z.B. Wettererscheinungen) direkt gespürt und verinnerlicht werden.

Es existieren so viele unterschiedliche Möglichkeiten, das Lernen mit Bewegung zu verbinden und die Wissenschaft bekräftigt diese Herangehensweise mit zahlreichen positiven Effekten.

Letztlich muss man sich vor Augen führen, dass wir als Lernende nie nur mit unserem Kopf anwesend sind, sondern immer der ganze Körper dabei ist. Es liegt an uns, dieses Potenzial gezielt auszuschöpfen.

Im Workshop wurden entsprechende Ideen vermittelt- welche als Anregung für die weitere zielorientierte Auseinandersetzung mit dieser Thematik dienen sollen.