Was ist Bildung durch Sport?

Bildung durch Sport ist ein nicht formaler Bildungsansatz, der sich mit Sport und körperlichen Aktivitäten befasst und sich auf die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen von Einzelpersonen und Gruppen bezieht, um zur persönlichen Entwicklung und nachhaltigen sozialen Transformation beizutragen.

Die moderne olympische Bewegung besteht schon etwa seit einem Jahrhundert. Der historische Prozess des modernen organisierten Sports zeigt, dass in den westlichen Ländern die Voraussetzungen für eine schnelle Entwicklung des Sports auf den gegenwärtigen sozialen Veränderungen beruhen. Die Entstehung einer hohen Wettbewerbsfähigkeit im Sport war ein Spiegelbild der Leistungsgesellschaft und des Kapitalismus und wurde durch den Nationalismus (Wettbewerb der Nationen oder Länder) weiter angeheizt. Einerseits steht in der olympischen Charta unter den Grundprinzipien des Olympismus folgendes geschrieben: (2) Ziel des Olympismus ist es, den Sport in den Dienst der harmonischen Entwicklung der Menschheit zu stellen, um eine friedliche Gesellschaft zu fördern, die sich um die Erhaltung der Menschenwürde bemüht. (4) Die Ausübung des Sports ist ein Menschenrecht. Jeder Einzelne muss die Möglichkeit haben ohne jegliche Diskriminierung und im olympischen Geist sowie mit gegenseitigem Verständnis und mit Achtung auf Freundschaft, Solidarität und Fair Play Sport zu treiben. (6) Die festgelegten Rechte und Freiheiten der olympischen Charta müssen ohne jegliche Diskriminierung wie Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Ausrichtung, Sprache, Religion, politische oder sonstige Überzeugungen, nationale oder soziale Herkunft, Eigentum, Geburt oder sonstigen Status gewährleistet sein.

Andererseits wird die soziale Rolle des Sports in den letzten Jahrzehnten von vielen Wissenschaftlern/-innen in verschiedenen Zusammenhängen diskutiert, erörtert und ausgearbeitet. Man hat sich geeinigt, dass der moderne Sport ein Mikrokosmos der modernen Gesellschaft ist (eine Art Spiegelbild), und deshalb sind die wichtigsten Probleme des modernen Sports den Problemen der modernen Gesellschaft so ähnlich: Diskriminierung, Kriminalität und Täuschung, Kontrolle von Gewalt, Ungleichheit, Drogenkonsum, Glücksspiel, Umweltschutz, Nationalismus usw. „Der Sport kann eine kohärente Kraft in der Gesellschaft sein, die die soziale Ordnung und ihre Werte sowie die Machtstruktur, in der er sich bewegt, aktiv unterstützt. Diese These weist darauf hin, dass der Sport als Instrument von Regierungen genutzt werden kann und dass es leicht zur Umsetzung der Ziele der sozialen Macht eingesetzt werden kann. Da die Teilnahme am Sport eng mit sozial strukturierten Ungleichheiten verbunden ist, könnte es sein, dass der Sport nicht zur „sozialen Inklusion“ beiträgt, sondern verschiedene Aspekte der sozialen Ungleichheiten darstellt. In dieser Hinsicht muss man eine gewisse Skepsis behalten und kritisch darüber nachdenken, was der Sport leisten kann. Es ist notwendig, sowohl die Grenzen des Sports für gesellschaftliche Veränderungen als auch seine Potenziale zur Entwicklung zu erforschen„. (Fred Coalter, Universität Leeds, 2015)

Laut Coalter (2015) führt die Sportbewegung in ihrem gegenwärtigen System nicht automatisch zur Friedensförderung und zur Verbesserung der Gesellschaft, sondern verstärkt sie sogar unter bestimmten Umständen Probleme und/oder negative Auswirkungen. Gleichzeitig entdecken immer mehr Sportorganisationen, Praktike/-innen und Sozialpädagogen/-innen das erzieherische Potenzial des Sports und wie der Sport tatsächlich ein Instrument der positiven sozialen Entwicklungen in seinen Gemeinschaften auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene sein kann. Der Sport strebt von Natur aus nach der Verbesserung der Leistungen von Teilnehmern/-innen, nicht nur im Hinblick auf den Wettbewerb, sondern auch auf die Verbesserung der Eigenleistung. Die entsprechenden Rahmbedingungen im Sport können die Einhaltung von Regeln, Fair Play, Gewaltlosigkeit, Integration, Gleichheit und Chancengleichheit fördern, die sicherlich wichtige Werte in unseren Gesellschaften sind. In vielerlei Hinsicht hat der Sport das Potenzial die sozialen Fähigkeiten zu verstärken. Integrativer Sport kann helfen, in verschiedenen sozialen Rollen wie Freund/-in, Arbeitnehmer/-in, Leiter/-in, Eltern, Partner/-in oder Bürger/-in erfolgreicher zu werden. Mit anderen Worten hilft der Sport jedem zu einem besseren Menschen zu werden. Der Sport bietet einen ausgezeichneten sozialen Kontext für diese Art von Lernangeboten. Somit sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten für die leitenden Akteure/-innen im Sport verteilt. Hier wird der pädagogische Ansatz „Bildung durch Sport“ als ein nützliches Instrument in den Händen von Sportwissenschaftlern/-innen, Trainern/-innen und Sportlehrern gelegt, um dieser Verantwortung des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden.

Was bedeutet Bildung durch Sport und wie es funktioniert? Wenn man über Sport als Konzept nachdenkt, steht Sport in seiner Form der non-formalen Bildung nahe, da es sich um einen organisierten Bildungsprozess handelt, der neben den herkömmlichen Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung stattfindet und normalerweise nicht zu einer Zertifizierung führt. Man nimmt auf freiwilliger Basis teil, und infolgedessen wird der eigene Lernprozess gestärkt. Dies sind die Hauptmerkmale der non-formalen Bildung. Weiterhin muss es betrachtet werden, wie der Sport als „globaler sozialer Faktor“ zur Wertevermittlung beiträgt. Es ist wichtig zu unterscheiden, wie „Sport“ als sozialer Faktor fungiert und wie „Sport und körperliche Aktivität“ als potentielle Bildungsinstrumente anwendbar sind. Dazu ist es zunächst notwendig klare Bildungs- oder Lernziele zu haben, die darauf abzielen, die Teilnehmer/-innen in Bezug auf bestimmte vordefinierte soziale und bürgerschaftliche Kompetenzen zu befähigen. Zum besseren Verständnis wird es hier zwischen Bildung FÜR, IM und DURCH Sport unterschieden.

Es liegt in der Natur des Sports Menschen zu mobilisieren, um Leistungsziele zu erreichen und Wettbewerbsindikatoren zu übertreffen (das Streben nach Spitzenleistungen in einer sportlichen Aktivität). Die Bildung für Sport befasst sich mit der Verbesserung der Fähigkeiten im Leistungssport (Gewinn von Wettbewerben und/oder Auszeichnungen und Ausstellung Rekorden). Der Zweck des Sports besteht in diesem Zusammenhang darin, der Entwicklung individueller und kollektiver Kompetenzen und Fähigkeiten zu dienen, um die Hochleistung im Sport zu erreichen. Dieses Konzept ist eine sehr wichtige Dimension des modernen Sports, es hat nur eine begrenzte Relevanz für die non-formale Bildung.

Bildung im Sport ist eine zweite Ebene des Sports, die die sozialen Werte und Vorteile von der Teilnahme am Sport beinhaltet. Bei diesem Ansatz geht es darum, sportliche Ziele und gesellschaftliches Wohlbefinden miteinander im Einklang zu bringen. Sport – als kollektive Übung und körperliche Aktivität – kann erhebliche Auswirkungen auf die Verbesserung des Wohlbefindens, die Entwicklung von Identität, die Kooperation und Kommunikation, die Stärkung der Solidarität und die soziale Integration haben. Die meisten Breitensportgemeinschaften haben sowohl auf individueller Ebene als auch auf der Gemeinschaftsebene bedeutende erzieherische Auswirkungen. Viele Sportprojekte nutzen diese sozialen Vorteile, um die Sportpartizipation zu stärken (z.B. Sport zur Friedensförderung, Fußball zur Integration diskriminierter Gruppen usw.). Die Entwicklung sozialer und bürgerschaftlicher Kompetenzen mit Bezug auf Fair Play, die Einhaltung von Regeln, Teamarbeit und Zusammenarbeit für gemeinsame Ziele werden durch das Engagement in sportlichen Aktivitäten entwickelt. Sportliches Engagement im Breitensport kann Bildung durch Sport beinhalten, die manchmal mehr und manchmal weniger bewusst von Trainer/-innen, Ausbilder/-innen und Lehrer/-innen geplant wird. Viele Eltern und Erziehungsberechtigte haben dieses Konzept im Hinterkopf, wenn sie ihre Kinder ermutigen, einer Sportmannschaft beizutreten oder eine Sportart auszuprobieren. Die Forschungsergebnisse einer US Studie besagen, dass mit einer größeren Wahrscheinlichkeit ehemalige Studierende, die regelmäßig getrieben haben, besser ihre sozialen Fähigkeiten, soziale Kontakte und Netzwerke, Arbeit und körperliches Wohlbefinden entwickelt haben als Studierende, die keinen Sport getrieben haben.

Das Konzept der Bildung durch Sport (Education THROUGH Sport, ETS) ist mehr komplexer in seinen Zielen und erwarteten Lernergebnissen. Bei diesem Ansatz wird Sport als ein Mittel zur Erreichung der Bildungsziele und zur Entwicklung sozialer Kompetenzen verwendet, um eine dauerhafte positive soziale Veränderung zu fördern. Der gesamte Bildungsprozess strebt hier nach klaren, realistischen und messbaren Ergebnissen. Sportliche Leistungsergebnisse sind zweitrangig gegenüber der Entwicklung von sozialen Fähigkeiten. Es handelt sich hier um Kompetenzen, die sich auf jede der 8 Schlüsselkompetenzen des lebenslangen Lernens beziehen (siehe Bild). Die Bildung durch Sport ist ein non-formaler Bildungsansatz, der mit Sport- und Bewegungsinstrumenten auf die Entwicklung der sozialen Kompetenzen von Einzelpersonen und Gruppen hinarbeitet, um zu einer übertragbaren persönlichen Entwicklung und nachhaltigen sozialen Veränderungen beizutragen. Zu diesen sozialen Kompetenzen gehören: Kommunikation, Kooperation, Entscheidungsfindung, Führung, Inklusion und Anti-diskriminierung, Achtung der Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität, Bewusstsein für intersektionelle Diskriminierung, Empathie und andere alltägliche Fähigkeiten, die für ein Leben in einer respektvollen, integrativen und demokratischen Kultur erforderlich sind.